Tage religiöser Orientierung für die Jahrgänge 7 und EF: Konzept und Ziele

Seit 1997 führen wir an der Marienschule auch für den 7. Jahrgang religiöse Orientierungstage durch. Anfangs war die Skepsis unüberhörbar bei Eltern, aber auch bei Kolleginnen und Kollegen. Tage religiöser Orientierung mit Schülerinnen und Schülern der Jahrgangsstufe 7 – macht das überhaupt Sinn? Viele haben uns gewarnt: Die Kinder sind zu jung. Tut euch das doch nicht an. Ihr macht drei Nächte lang kein Auge zu.

Nach den Erfahrungen der letzten Jahre können wir guten Gewissens sagen: Es macht sehr wohl Sinn und der Aufwand lohnt sich! Der Stress für uns Lehrer hat sich bislang immer in erträglichen Grenzen gehalten. Die Schüler sehen das übrigens genauso. Durch Geschwister und Schüler aus älteren Klassen haben sich diese Orientierungstage mittlerweile bereits einen „Ruf“ erworben. Wenn man in die Klassen kommt und im Vorfeld das Konzept und die Rahmenbedingungen vorstellt, spürt man das ganz genau. Nach jedem Durchgang findet übrigens eine gründliche Evaluation statt, auf deren Grundlage unser Konzept jeweils reflektiert und ggf. revidiert wird.

Trotz allem gibt es bei einzelnen aber noch immer Unsicherheiten. Eine Schülerin fragte etwa: „Müssen wir da auch beten?“ Oder ein Schüler aus einer Parallelklasse fragte: „Müssen wir da den ganzen Tag beten?“ Diese beiden Äußerungen zeigen auch Befürchtungen, die die Schülerinnen und Schüler haben. Wichtig ist uns bei der Vorstellung des Konzeptes, dass es sich in der Tat um Tage religiöser Orientierung handelt, also nicht um eine normale Klassenfahrt oder etwa um eine Sportfreizeit. Im Rahmen unseres schulseelsorglichen Gesamtkonzeptes nehmen Orientierungstage einen zentralen Stellenwert ein.

Lassen Sie mich mindestens stichwortartig die fünf Säulen unserer Schulseelsorge nennen:

  1. Religionsunterricht
  2. vielfältige Gottesdienstangebote (Unter-, Mittel- u. Oberstufe; Schuljahresbeginn und -ende; Angela-Fest, Reformationsgottesdienst, Gedenkgottesdienst zum 27. Januar usw.)
  3. sonstige spirituelle Aktivitäten: Meditationen, Frühschichten, Adventskonzerte, Passionskonzerte, gemeinsame Fachexkursionen.
  4. Compassion, das meint ein durchgängiges Unterrichtsprinzip, das zum Ziel hat, eine Haltung von Solidarität und „Mitleidenschaftlichkeit“ gegenüber den Leidenden und Schwachen in unserer Gesellschaft zu entwickeln. In diesem Zusammenhang findet ab kommendem Januar für die Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 11 ein vierzehntägiges Sozialpraktikum statt.
  5. Tage religiöser Orientierung in den Jahrgangsstufen 7, 10 bzw. 11 In dieser Kontinuität ist das einzigartig. Die Schulseelsorge ist mithin – so auch die Formulierung in unserem Schulprogramm – ein „fundamentales Gestaltungsprinzip unseres Schullebens“. Sie dient dazu, vor allem drei Zielperspektiven zu verfolgen: Das ist erstens die Humanisierung des Schullebens. Im Schulprogramm-Entwurf haben wir das so formuliert: „Die Marienschule will ein Lern- und Lebensraum sein, in dem der Geist der Freiheit und der Liebe des Evangeliums lebendig ist“ (Konzilserklärung „Gravissimum educationis“): Konkret muss das Ausdruck finden in einem gewalt- und angstfreien Miteinander von Lehrenden und Lernenden, das eine Atmosphäre von gegenseitiger Achtung und Akzeptanz intendiert“. Zweitens zählt zu unseren vordringlichen Aufgaben Die „Stärkung und Begleitung von Schülerinnen und Schülern“. Schule muss in enger Zusammenarbeit mit dem Elternhaus den Prozess der Identitätsbildung stabilisierend begleiten. Nur dann kann es gelingen, die Kinder und Jugendlichen gegenüber lebensfeindlichen Tendenzen unserer Gesellschaft widerstandsfähig zu machen.

Drittens zielt unser Bemühen auf eine „Sensibilisierung für die Botschaft des Evangeliums“. Und dazu ist es notwendig, im Rahmen von Schule Erlebnis und Erfahrungsräume bereitzustellen, die jungen Menschen ein günstiges Klima zum Glauben- und Leben lernen bieten. Die Schülerinnen und Schüler sollen erfahren, dass christlicher Glaube auch heute – vielleicht sogar gerade heute – ein tragfähiges und befreiendes Lebenskonzept darstellt, das herausfordert zu solidarischem Engagement für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung und zugleich eine kritische Distanz schafft gegenüber den modernen Stützen unserer Leistungs- und Konsumgesellschaft.
Das ist der Horizont, in dem diese Tage religiöser Orientierung angesiedelt sind. Gerade außerhalb des normalen Unterrichts, unabhängig vom Notendruck, der für viele Schülerinnen und Schüler in der Schule sonst allgegenwärtig ist, sind die Rahmenbedingungen für ein wirkliches gegenseitiges Kennenlernen von Schülerinnen und Schülern und Lehrern günstig, übrigens auch die Rahmenbedingungen für gemeinsame Glaubenserfahrungen. Das Jugendhaus des Erzbistums Paderborn in Hardehausen, ein ehemaliges Zisterzienserkloster, bietet dazu ein außerordentlich geeignetes Ambiente.

Inhaltlich stehen die Tage für den 7. Jahrgang unter dem Motto: „Wer bin ich?“ „Ich und die anderen“ und „Was gibt mir Halt und Orientierung?“

  • In diesem Alter erleben die Kinder eine Phase des Umbruchs und Aufbruchs. Sie entdecken sich selbst, entwickeln eigene Standpunkt, orientieren sich mit zunehmender Selbstständigkeit, setzten sich häufig erstmals existenziell mit der Sinnfrage auseinander.

In Hardehausen haben Ihre Kinder Gelegenheit

  • sich ihrer derzeitigen Lebenssituation klar zu werden
  • sich mit ihren Mitschülerinnen und Mitschülern konstruktiv auseinanderzusetzen
  • und auch: ihre Träume, Hoffnungen und Ängste mit Blick auf die Zukunft zu formulieren.

Abgesehen von der Stärkung der Schülerpersönlichkeit (Identitätsfindung) spielen zwei weitere Ziele eine zentrale Rolle:

  1. Schüler/innen sollen sich vergewissern, wem sie bisher begegnet sind, wer sie gegenwärtig begleitet. Gerade in dieser Entwicklungsphase ist es wichtig, dass sich die Jugendlichen bewusst werden, dass sie Wegbegleiter haben, dass sie nicht allein sind. Andere wahrzunehmen, zu akzeptieren, mithin: soziale Kompetenzen auszubilden ist ein wichtiges Ziel.
  2. Hier kommt auch der Glaube ins Spiel. Auf dem Hintergrund des anfangs Gesagten ist deutlich geworden, dass wir uns nicht mit gruppendynamischen Zielen begnügen, sondern den Schüler/innen auch Gott als Begleiter und Perspektive vorgestellt werden soll.
    Gott trägt mich, er hält mich, er führt mich – das ist die zentrale Weg-Erfahrung des Volkes Israel, die es gilt auf die eigene Lebenssituation der Kinder zu übertragen.

Inhaltlich befasst sich der Jahrgang EF in diesen Tagen mit verschiedenen Fragestellungen bzw. Herausforderungen: „eigene Standortbestimmung“ „Welche Wünsche, Vorstellungen und Ziele habe ich für mein eigenes Leben?“ und „Was gibt mir Halt und Orientierung?“

In Hardehausen haben die Jugendlichen Gelegenheit

  • sich ihrer derzeitigen Lebenssituation mit Blick auf ihren Schulabschluss klar zu werden
  • sich miteinander über ihre Wünsche, Vorstellungen und Ziele auszutauschen und miteinander Gemeinschaft zu erfahren und zu gestalten
  • in einen einen Austausch über die Frage „was die Welt im Innersten zusammenhält“ einzutreten
  • die Frage nach Gott als mögliche Kraftquelle in den Blick zu nehmen

Wie im Jahrgang 7 so spielt auch im Jahrgang EF das Miteinander eine große Rolle. Im Kloster Hardehausen ist es den jungen Menschen möglich, Gemeinschaft zu gestalten, sich näher und z.T. neu kennenzulernen und – unabhängig von sozialen Medien – miteinander in Kontakt zu treten. So kann solidarische Zeitgenossenschaft sinnvoll und nachhaltig eingeübt werden.

Ihre Ansprechpartnerin

Gabriele Welle
Gabriele Welle
Englisch / kath. Religion