Es sind keine normalen Zeiten, das sah man an diesem Samstagabend (12.03.2022) schon an den Masken, die alle der rund 50 Besucher der Christvesper in der Marienschule tragen mussten. Das prägende Thema dieses Friedensgebets war aber der Krieg. Die Christvesper war aber auch aus einem weitaus erfreulicheren Grund etwas Besonderes: Die musikalische Gestaltung übernahmen Ehemalige des Vokalensembles, die in den Jahren 1990 bis 1997 ihr Abitur an der Marienschule gemacht haben.
Der Auftritt war eine Art vorgezogenes Geschenk zum bevorstehenden Ruhestand des Ensemble-Gründers und heutigen Schulleiters Günter Kunert im kommenden Jahr. Kunert selbst war erst kurz vor dem Treffen von seinen ehemaligen Schützlingen eingeweiht worden, die aus allen Teilen Deutschlands und aus Luxemburg angereist waren. Organisiert hatte das Treffen die ehemalige Schülerin Brit Withöft, geborene Diekmann, auf Anregung der Oberin des Convents der Ursulinen, Schwester Carola. „Dass Schülerinnen und Schüler nach 30 Jahren wieder zusammenkommen, um gemeinsam zu singen, das ist etwas ganz Besonderes. Das ist eine Erfahrung, die mich als Lehrer ungemein bereichert und die ich nur jedem wünschen kann“, sagte Günter Kunert in seiner Ansprache, in der er auch die ernsten Themen der Zeit nicht aussparte.
Mit der Musik wolle das Vokalensemble ein Zeichen des Friedens geben und der Sprachlosigkeit angesichts des Grauens etwas entgegensetzen, sagte der Schulleiter. Und auch die Pandemie habe sichtbare Spuren hinterlassen, wie eben die Masken. Dem wolle er mit den Ehemaligen eine „positive Infektion“ entgegensetzen: Die musikalische Infektion vor mehr als 30 Jahren, die den Chor an diesem Abend wieder zusammengeführt hat.
Kunert lehrt seit 1987 an der Marienschule Deutsch und Musik, gründete 1988 den Mittelstufenchor und ein Jahr später das Vokalensemble. Insgesamt sechs Stücke sangen die 19 ehemaligen Marienschülerinnen und Marienschüler a cappella unter der Leitung ihres ehemaligen „Ensemblechefs“. Es waren anspruchsvolle, teils achtstimmige Stücke von Bruckner, Mendelssohn oder Rheinberger, die einige seit mehr als 20 Jahren nicht mehr gesungen oder sogar erst wenige Stunden zuvor eingeübt hatten. Geübt hatte das Ensemble am Vor- und Nachmittag des Konzerttags in der Musikklasse in der Originalbestuhlung aus den späten 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Kein Wunder, dass alte Erinnerungen aufkamen und in diesen ausgiebig geschwelgt wurde.
Am Ende des Konzerts durfte in der Kirche sogar geklatscht werden und danach ging es noch in Beisein der ehemaligen Schulleiterin und Ordensvorsteherin Schwester Carola bei Pizza und Rotwein einige Stunden weiter. Die meisten wollten diese seltene Gelegenheit möglichst lange auskosten, alte Fotos anschauen und sich an Chorfahrten an Ziele von Rom bis Nowgorod erinnern. Es ist aber gut möglich, dass in naher Zukunft noch einige „Abschiedskonzerte“ dazukommen. „Ich bin für jedes Revival zu haben, weil es so großartig war“, versicherte Günter Kunert. Unausgesprochen, aber trotzdem mitgedacht bleibt dabei die Hoffnung, dass die Zeiten dann wieder friedlich sind.
Thomas Zapp, Ehemaliger