Ein Reisebericht zu dem diesjährigen Austauschprogramm mit Velikij Nowgorod
Im Vorfeld war schon viel los…
Die Vorzeichen dieses Austausches hätten wohl kaum schlimmer sein können. Die Vorbereitungen liefen sehr gut, bis eines Tages eine E-Mail an unsere Russischlehrerin Frau Gromnitza, die den Austausch mit unserer Austauschschule der Schule NR. 14 in Nowgorod organisiert, kam. Diese E-Mail kam von der Fluggesellschaft, mit der wir in fast 2 Monaten nach Russland fliegen wollten. In dem Betreff war noch die Rede von einer Flugumbuchung, doch in dem Haupttext hieß es dann in großen, roten Buchstaben, dass sowohl der Hinflug als auch der Rückflug annulliert seien. Es waren also noch gut 50 Tage, in denen Frau Gromnitza fast alles versuchte, um den Austausch zu dem gewünschten Zeitpunkt stattfinden zu lassen. Wir zogen in der Not in Betracht, über Moskau zu fliegen, zwei Tage und Nächte mit dem Zug zu reisen oder sogar in drei kleineren Gruppen zu verschieden Zeiten zu fliegen. Es wurde selbst überlegt, den Austausch auf den Frühling umzulegen und ein jeder in unserem Russischkurs hatte diesen Austausch schon abgeschrieben, bis ein letzter Hoffnungsschimmer kam. Über den Freund eines Freundes von Frau Gromnitza, der ein Reisebüro leitet, kamen wir dann tatsächlich noch an die benötigten 19 Tickets von Düsseldorf nach Sankt-Petersburg und zurück genau zu dem ursprünglichen Termin.
Dann ging es endlich los
Nach elenden Tagen und Wochen des Wartens machten wir uns dann in aller Herrgottsfrühe an einem Mittwoch, dem 23. September, um 6 Uhr an der Marienschule auf den Weg. Wir wussten allerdings aufgrund von Abstimmungsproblemen seitens der Russen im Vorfeld nicht, wer unsere Austauschpartner und deren Familien werden würden. Was sollten wir also als Gastgeschenke mitnehmen? Doch wir machten uns auch ohne diese Information voller Vorfreunde auf den Weg Richtung Düsseldorf. Drei Stunden mit dem Bus bis wir dann in der nordrheinwestfälischen Landeshauptstadt ankamen und zunächst mal versuchten, unsere ganzen Koffer aus dem Kleinbus in den Flughafen zu tragen.
Dort angekommen, gaben wir unser Gepäck auf und kamen ohne Zwischenfälle durch die Sicherheitskontrollen. Nach nun schon fast fünfstündiger Reise stiegen wir dann in das Flugzeug der russischen Airline „Aeroflot“ und hoben gegen 11 Uhr vom deutschen Boden ab. Es sollte für gut eine Woche das letzte Mal sein. Das erste Highlight des Austausches war auf jeden Fall die Sicherheitseinweisung im Flugzeug auf Russisch. Keiner verstand ein Wort und auch die Einweisung auf englischer Sprache war keine Hilfe, da sie aufgrund des Akzentes nicht von der russischen Sprache zu unterscheiden war. Wir verließen uns dann einfach darauf, dass es das Gleiche wäre wie bei jedem Flug.
Sicher in Sankt Petersburg gelandet, wurden wir in Bussen vom Rollfeld gefahren und erlebten etwas, was wir in Deutschland nicht erleben würden. Als wir zur Gepäckausgabe kamen, waren tatsächlich schon ein Teil unserer Koffer auf dem Gepäckband zu sehen und wir konnten nach kurzem Warten auf den Rest der Koffer fast direkt in den Bus steigen, der uns nach Nowgorod bringen sollte. Die Fahrt verlief dann eher holperig, was nicht nur an den russischen Straßen lag, sondern auch an dem Bus. Genauso waren aber auch Markierungsarbeiten auf der linken Spur keine Seltenheit, bei denen man fünf Meter vor dem Markierungsauto dann mal eine Absperrung sehen konnte.
Nach weiteren drei Stunden Fahrt kamen wir dann todmüde bei unserer Partnerschule in Velikij Nowgorod an. Der Empfang war so gastfreundlich wie auch die Russen selbst: Unsere Gastschüler warteten mit Luftballons und einem riesigen Banner mit „Herzlich Willkommen“ auf uns. Dann kam der spannende Teil auf den schon viele von uns gewartet hatten, die Einteilung der Schüler. Nach dem ersten Aufeinandertreffen der Austauschpartner ging es dann zu Fuß oder im Auto zu den jeweiligen Wohnhäusern, wo wir dann den Abend in den Gastfamilien verbrachten. Dort unterhielten sich die meisten nach einem leckeren Abendessen und wir fragten uns mit unserer Gastfamilie gegenseitig übereinander aus. Dann kam für alle der bitternötige Schlaf bevor es am nächsten Tag in alter Frische weiterging.
Der Ablauf unserer Woche
Am ersten Tag begann unsere gemeinsame Zeit morgens um halb zehn an der Schule. Nach einem leckeren und für uns mit warmem Essen eher untypischen Frühstück gingen wir also in die Schule. Dort starteten wir mit kleinen Kennlernspielen in den Tag und begannen auch gleich mit der Projektarbeit unter dem Motto „Schul- und Bildungswesen in Russland und Deutschland“. Wir hörten einen kurzen Vortrag über das russische Schulwesen, bevor wir dann in der Schule NR. 14 eine Rallye machten. Es folgte eine kurze Pause, in der wir alle gemeinsam mit zwei Musiklehrerinnen russische Lieder sangen und so schon am Anfang viel Spaß hatten. Nach dem Mittagessen stellten wir deutschen Schüler unsere Schule und unser Bildungswesen vor und alle zusammen machten wir uns Gedanken über ein russisch-deutsches Wappen, das beide Schulen und beide Städte verbinden sollte. Die sehr kreativen Ergebnisse wurden dann später in der Schule ausgehangen und alle konnten sich an unserer selbstgemachten Kunst erfreuen. Am Abend dieses ersten Tages in Russland gingen dann alle Schüler gemeinsam zum Bowling und als es gerade lustig wurde, versagte die Bowlingbahn aufgrund eines technischen Defekts. So mussten wir nach der Hälfte unserer geplanten Zeit das Spielen abbrechen, da nichts mehr vernünftig lief.
Für den zweiten Tag unseres Austausches in Nowgorod war dann eine Stadtführung für die deutschen Schülerinnen und Schüler geplant und so lernten wir über drei Stunden lang etwas über die Stadt Velikij Nowgorod genauso wie über die Verbindungen zwischen Nowgorod und Bielefeld damals und heute. Nach diesem spannenden Einblick in die Geschichte Russlands setzten wir am Nachmittag unsere Projektarbeit mit einem Besuch eines Polytechnischen Kolleges fort, bei dem wir einen guten Einblick in diese Art von Berufsschule gewannen. Während die Lehrer danach bei einem festlichen Abendessen zusammensaßen, genossen wir Schüler die Gastfreundlichkeit der Russen, die zum Teil nur für uns ihre eigenen Zimmer räumten, damit wir in diesen Zimmern schlafen konnten. Teilweise schliefen auch Geschwister bei der Großmutter, nur damit im Haus genügend Platz für uns war.
Am darauffolgenden Samstag nutzten wir das meist sehr gute Wetter für eine Besichtigung des Nowgoroder Kremls und eine Führung durch eine Ausstellung von Heiligtümer der Kathedrale dort. Für einige begann dann der Höhepunkt des Tages, als wir nämlich freie Zeit bekamen, um zu shoppen oder andere Sachen zu machen, wie etwa spazieren zu gehen. Den wohl lustigsten Abend verbrachten wir dann mit der Tanzgruppe Nastenka, die bereits in Bielefeld getanzt hatte. Neben dem Zeigen von sehr schönen internationalen Tänzen wurden auch wir nicht geschont und mussten einige Male unser tänzerisches Können zeigen. Viele von uns lächelten aber einfach auch nur und liefen umher wie alle anderen auch.
Nach der Hälfte des Austausches anbrach, am Sonntag, fuhren wir deutschen Schüler mit unseren Lehrern nach Sankt-Petersburg. Es ging morgens früh um sieben los, so dass wir nach der dreistündigen Busfahrt gegen zehn in Petersburg ankamen. In Petersburg selbst herrschte aufgrund einer Laufveranstaltung ein Verkehrschaos, aber dennoch machten wir unsere Stadtbesichtigung am Anfang im Bus und dann später zu Fuß und mit der Metro. Mit vielen interessanten Erklärungen von Frau Gromnitza sahen wir so zum Beispiel die Peter-Pauls-Festung oder auch die Blutskirche. Nicht zu vergessen auch der Newski-Prospekt, auf dem wir fast drei Stunden Freizeit zum Shoppen oder auch einfach nur zum Spazieren an dem Fluss, der Neva, bekamen. Da die Geschäfte in Petersburg auch sonntags geöffnet hatten, konnten so auch noch viele Souvenirs oder Geschenke für die Familie gekauft werden. Nach fast zehn Stunden in der zweitgrößten Stadt Russlands fuhren wir gegen halb acht wieder zurück nach Nowgorod, wo wir alle gegen 22 Uhr müde und geschafft wieder ankamen.
Am vorletzten Tag besuchten wir im Norden Nowgorods eines der ältesten Klöster Russlands, das Juri-Kloster, und legten Blumen am deutschen Soldatenfriedhof nieder. An dieser Stelle wurden und werden jedes Jahr weiterhin gefundene Leichname deutscher und spanischer Soldaten sehr würdevoll begraben. Große Namenstafeln erinnern an die Gefallenen, die gezwungen wurden, diesen Krieg des Unrechts auszutragen und dafür mit dem Leben bezahlten.
Den Nachmittag verbrachten wir im Rahmen der Projektarbeit in einem Kinderzentrum, wo wir Einblicke in die russische Volkskunst bekamen. Am Abend feierten wir eine Art Volksfest mit einer Gruppe, die uns verschiedene altertümliche russische Volkstänze zeigte, bei denen wir wieder nicht verschont wurden.
Am letzten Tag unseres Austausches, dem Dienstag, besuchten wir noch die Nowgoroder Universität und konnten erneut in der Schule unsere Meinungen zu den Projektarbeiten abgeben. Danach kam noch eine schöpferische Arbeit, bei der wir Brücken zwischen Russland und Deutschland bauen sollten, indem wir jeweils einen gleichen Begriff auf russischer und auf deutscher Sprache kunstvoll darstellten. Diese schöpferische Arbeit war dann auch Motiv des Fernsehberichtes, der genau am letzten Tag in der Schule vom russischen Fernsehen gedreht wurde und über den Austausch berichtete. Nach dem Mittagessen sangen wir zum zweiten und letzten Mal im Musikraum russische Volkslieder und am Nachmittag lernten wir ein weiteres Kinderzentrum, nämlich das der Schifffahrt, kennen.
Den letzten Abend verbrachten wir dann alle zusammen bei einem Abschiedsabend und alle deutschen Schüler erhielten Gastgeschenke. Später aßen wir zusammen Abendessen und guckten uns die gemachten Videos an, auf denen wir entweder tanzten oder sangen, sodass es zu viel Gelächter kam. Jedoch kam zu dem vielen Gelächter der Freude langsam auch die Trauer über den Abschied, denn alle wussten, dass dies der letzte gemeinsame Abend sein würde.
Auch das schönste geht mal zu Ende…
Nachts gegen drei Uhr war dann fast alles vorbei. Viele hatten die Nacht über nicht geschlafen, da alle wussten, dass wir uns gegen kurz vor drei nachts an der Schule treffen wollten, um mit dem Bus wieder in Richtung Sankt-Petersburg zu fahren. Es gab also mitten in der Nowgoroder Nacht um drei Uhr Tränen des Abschiedes und das unter Umständen letzte Treffen von nun russisch-deutschen Freunden.
Wir fuhren danach halb schlafend und mit zwei Blechen übrig gebliebenem Kuchen von dem Abschiedsabend aus Nowgorod weg. Die drei Stunden Busfahrt waren vermutlich die ruhigsten Stunden, die wir in diesem Bus verbracht hatten, da alles versuchten, noch etwas Schlaf zu bekommen. Als wir am Flughafen von Petersburg ankamen, hieß es erstmal warten, dass wir überhaupt einchecken konnten. In dieser Zeit probierten wir es, sämtlichen Leuten den Rest von unserem Kuchen anzudrehen, um ihn nicht wegschmeißen zu müssen. Kurz vor acht ging es auf den Weg nach Deutschland, wo wir dann mittags landeten. In Düsseldorf angekommen, versuchten wir schnell unsere Koffer abzuholen, damit wir noch den frühen Zug nach Bielefeld bekamen. Mit viel Stress und einer kleinen Verspätung der Bahn schafften wir es alle sicher in eine Regionalbahn und damit nach Bielefeld. Dort sollte dann unsere gemeinsame Zeit nach einer Woche voller Spaß, tollen Erfahrungen und neuen Freundschaften enden. Und so waren wir alle traurig, wieder in den normalen Schulbetrieb einsteigen zu müssen, doch glücklicherweise begannen nach zwei Schultagen schon die Herbstferien.
Die wichtigsten Ergebnisse dieses Austausches waren also interessante Erfahrungen aus Russland, neue Freundschaften und ein in diesen Tagen so wichtiger Beitrag zur Verbesserung der deutsch-russischen Beziehungen.