24.04.2017, 4:45 Uhr. Mit verschlafenen Gesichtern schlurfen 47 Schüler über den Mediamarkt Parkplatz zum Bus, ausgerüstet mit Kissen und Decken, um es sich für die 14 Stündige Fahrt gemütlich zu machen. Die erste Herausforderung stellt das Herauskramen des Personalausweises dar, dessen Vorhandensein an der Bustür genauestens kontrolliert wird. Die erste Hürde gemeistert, alle da, der Bus setzt sich um 4:58 Uhr in Bewegung. Mit dabei sind fünf Lehrerinnen und Lehrer: Die beiden LK-Lehrer Frau Schmidtke und Herr Lepper in Begleitung von Herrn Schacker, Frau Welle und Frau Linnemann.

Der Weg führt uns durch vier Länder, ehe wir Großbritannien erreichen. Von Deutschland geht es über die Niederlande, die eine neue Technologie entwickelt hätten, um die Grenzkontrollen zu verschärfen. Man solle seinen Personalausweis mit dem Bild nach außen an die Fensterscheibe halten und er würde gescannt werden, teilt uns Herr Schacker mit. Tolle neue Technologie. Schüler glauben das und folgen brav den Anweisungen. Die Lehrer kriegen sich kaum noch ein vor Lachen. Wäre auch zu schön um wahr zu sein, diese neue Technologie.

Weiter nach Belgien und Frankreich, zum Glück nicht viel Stau, der Verkehr ist uns diesmal anscheinend wohlgesonnen. Bis zur Fähre von Calais nach Dover verläuft alles nach Plan, aber dann stehen wir in einer Schlange und warten, dass unser Bus für die Überfahrt kontrolliert wird. Es dauert ungewöhnlich lange, mehr als drei Stunden müssen wir stehen und auf die Kontrolle warten, denn wegen der Anschläge und des Terrors werden die Kontrollen ausgedehnt, die Lagerräume der Busse penibel durchsucht, sowie die Personalausweise aller Reisenden überprüft. Alle sind unverdächtig und wir dürfen endlich auf die Fähre.

Nach eineinhalb Stunden auf dem Wasser kommen wir in Dover an, um 18 Uhr Ortszeit. Begleitet von Herrn Schackers informativem Vortrag über die Geschichte Südenglands und Londons von der römischen Herrschaft über das große Feuer 1666, den Wiederaufbau, die Ausdehnung nach Norden -die edlere Seite der Themse, die zuerst besiedelt wurde- und nach Süden -das Vergnügungszentrum mit den Theatern, Bärenkämpfen und Kneipen- bis zur Neuzeit und ebenso begleitet vom ersten Regen, der nach Herrn Schacker bloß ‘‘liquid sunshine‘‘ ist, also flüssiger Sonnenschein, treten wir die letzte Etappe bis London an.

Nach 16 ½ anstrengenden Stunden Fahrt kommen wir um 20:36 englischer Zeit an. Zimmer anschauen, sich ärgern über die Gemeinschaftsduschen und -toiletten, die sich Männlein und Weiblein für die nächsten Tage teilen müssen, der Anziehungskraft des Bettes widerstehen und sich bereit machen für eine erste Fahrt mit der London Underground zum Piccadilly Circus, Leicester Square und Chinatown bei Nacht. Diese Orte entpuppen sich als pure Reizüberflutungen: Leuchtreklame, die roten Doppeldeckerbusse, Menschenmassen, Skulpturen, Straßenkünstler, ‘‘Black Cabs‘‘, Gerüche, die das Hungergefühl anfachen und immer neues Spektakuläres hinter jeder Straßenecke. Mit diesem ersten Eindruck verlassen wir die Innenstadt und machen uns auf den Heimweg zu unserem Hostel. Erschöpft fallen wir in die Betten und genießen die erste Nacht in London.

Um 7:30 Uhr am nächsten Tag gibt es Frühstück. Leider nur continental, bestehend aus Toast, Butter, Marmelade, einem Croissant, einem Apfel, Müsli, Automatenkaffee und -saft sowie chlorigem Wasser. Aber für den Start in den Tag reicht es. Später in der Stadt gibt es schließlich noch genug Möglichkeiten, sich den Bauch mit Leckereien vollzuschlagen. Unsere Gruppe macht sich auf den Weg, die Großstadt zu erkunden und prompt verlieren sich einige in der U-Bahn. Das läuft hier nicht wie in Bielefeld: Die Türen bleiben nur so lange auf wie sie aufbleiben. Sind sie zu, kommt keiner mehr rein oder raus. Zum Glück finden sich dann doch noch alle wieder, es kann weitergehen. Die beiden LKs teilen sich auf und schlagen unterschiedliche Richtungen ein, weil es in einer kleineren Gruppe doch angenehmer ist, unterwegs zu sein und außerdem ist so ein LK mit ca. 25 Leuten auch schon so groß, dass es schwierig ist, alle beisammen zu halten.

Unser Weg führt uns zum Covent Garden mit seiner Markthalle, die Restaurants und kleine Lädchen beherbergt. Von dort aus geht es zum British Museum, wo wir unter anderem ägyptische Mumien, den Rosettastein und die Kunstwerke der griechischen Akropolis live und in Farbe bestaunen können. Schon allein die riesige Glaskuppel über dem Great Court im Inneren macht das Gebäude an sich sehenswert und zu etwas Besonderem. Weiter geht es zum Camden Lock Market, einem der größten Märkte der Stadt. Hier kann man so gut wie alles finden. Von alten Vinyl Platten über Porzellangeschirr, abgespacte Läden wie den Cyberdog, Gothic- Bekleidung, Touri-Shops und natürlich massig Essensstände. Nach einer Stunde Aufenthalt, die wie im Flug verging, machen wir uns auf den Weg zur National Gallery am Trafalgar Square. Dort warten Kunstwerke auf uns, die den Pinselstrichen mehr oder weniger bekannter Künstler entsprangen. Nach deren Besichtigung geht es für uns weiter zur Queen. Natürlich nicht zu ihr persönlich, sondern zum Buckingham Palace. Sie ist da, die Flagge ist oben, aber leider winkt sie nicht aus dem Fenster. Das allgemeine Interesse liegt also auf den Queen’s Guards, den Wachen mit den Bärenfellmützen, die immer ernst dreinschauen müssen und sich nicht bewegen dürfen.

Auf unserem weiteren Weg kommen wir vorbei an Whitehall im Regierungsviertel und der Downing Street 10, dem Wohnsitz der Premierministerin May, natürlich sehen wir das Gebäude nur hinter einem stark gesicherten Zaun mit Wachmännern davor und Mrs May kommt leider auch nicht vorbei. Wir nähern uns immer weiter den beiden Sehenswürdigkeiten Londons, die jeder kennt und unbedingt gesehen haben muss: Dem Big Ben und dem London Eye. Von hier aus haben wir Freizeit, um die Gegend zu erkunden und uns nach dem langen Fußmarsch quer durch London auszuruhen, bis dann um 17 Uhr der Evensong in der Westminster Abbey auf uns wartet. Die Andacht bietet uns auch die Möglichkeit, das imposante Gebäude von innen zu bestaunen, in dem die Krönungen des britischen Königshauses seit ca. einem Jahrtausend stattfinden, sowie William und Kate geheiratet haben. Den Westminster Abbey Boys Choir können wir ebenfalls hören. Nach dieser entschleunigenden Dreiviertelstunde können wir unseren Abend frei gestalten. Die Lehrer und einige Schüler unternehmen eine Fahrt mit der Emirates Air Line, einer Seilbahn, die -vor allem bei Dunkelheit- einen fantastischen Ausblick auf unter anderem die Themse, die O2 Arena und Canary Wharf, den Bürogebäudekomplex Londons, ermöglicht. Andere Schüler sind froh, endlich zur Oxford Street zu können, um in den Läden zu stöbern, die es in Bielefeld und der Umgebung nicht gibt (z.B. Victoria’s Secret). Wieder andere nutzen noch die restliche Zeit bis zur Nachtruhe um 23 Uhr, um sich etwas Leckeres zu essen zu besorgen, den Tag dann ruhig ausklingen zu lassen und wieder zum Hostel zurück zu fahren, damit die zweite Nacht etwas länger und erholsamer ist als die erste.

Am nächsten Morgen nach dem Frühstück geht es für uns nach einem Abstecher zur Saint Paul’s Cathedral -der Kathedrale Londons schlechthin- zum Globe Theatre, dem Theater Shakespeares, welches so original wie möglich nachgebaut wurde, nachdem ein Brand es aufgrund eines missglückten special effects komplett zerstört hatte, es wiederaufgebaut, aber nach kurzer Zeit erneut dem Erdboden gleichgemacht wurde. Auf dem Weg müssen wir über die Themse und überqueren die Millennium Bridge, die uns einen Blick auf die Tower Bridge und viele andere bekannte Gebäude ermöglicht. Die müssen aber erst einmal warten, bis wir uns mit Shakespeare und seinem Globe befasst haben. Unser Guide ist ein Schauspieler und klärt uns gleich zu Anfang auf unterhaltsame Weise auf, dass er uns keinen Vortrag über die Person Shakespeare halten will. Er erzählt uns die Geschichte des Globe Theaters und schärft uns ein, dass Shakespeare nicht das Ziel hatte, literarisch besonders schöne Theaterstücke zu schreiben, die sprachlich so wundervoll sind, dass einem das Herz aufblüht und man alles analysiert und die Tiefen ergründen möchte. Nein. ‘‘Money is honey‘‘ – Geld ist Honig. Shakespeare wollte Geld verdienen mit dem, was er schrieb. Es sollte unterhalten und die Menschen dazu bringen, die Theater zu besuchen, damit es in den Kassen klingelt. Das ändert aber nichts daran, dass Shakespeares Werke unglaublich gut sind und ihn heute fast jeder aufgrund seiner so berühmt gewordenen Stücke kennt.

Weiter geht es dann in einem Raum unterhalb des Theaters, in dem drei mehr oder weniger freiwillige Schüler nach vorne kommen müssen, um eine kleine Szene aus dem Mittsommernachtstraum nachzuspielen. Zuerst einmal brauchen wir ein gewisses Rhythmusgefühl für die Verse. Dazu wippen alle mit den Hüften und sprechen im Takt die Worte des Oberon ‘‘Ill met by moonlight, proud Titania‘‘. Titanias Antwort beschränkt sich für uns auf drei Worte: ‘‘What, jealous Oberon?‘‘ Nach unzähligen Verbesserungen der Sprech- und Spielweise -wir sind eben keine Schauspieler- ist es dann zufriedenstellend für unseren Guide und wir dürfen uns wieder setzen. Wir verabschieden uns vom Globe und laufen weiter an der Themse entlang in Richtung Tower Bridge. Diese überqueren wir und gehen vorbei am Tower zum Sky Garden. Von dort oben, dem 37. Stock, haben wir einen 360°-Ausblick auf London in einer grünenden Umgebung. Nicht umsonst heißt der Sky Garden so: Ein Garten im Himmel von London. Das Programm unseres dritten Tages in London endet hier, mit Ausnahme der Schüler des Schmidtke LKs. Für sie steht am Abend noch ein Besuch beim Globe an, um sich das wohl berühmteste Stück Shakespeares, Romeo and Juliet, anzusehen. Die moderne Fassung des Stückes findet nicht bei allen den größten Anklang, die Sprache alleine ist schon schwer zu verstehen und wenn dann plötzlich angefangen wird, YMCA zu singen, macht sich eine gewisse Verwirrung breit. Trotzdem gehen alle mit einer Erfahrung mehr in die letzte Freizeit in London.

Am nächsten Morgen steht nach dem Kofferpacken und dem Frühstück die Abreise und der Abschied von der Großstadt an. Unser nächstes Ziel ist Canterbury, eine kleinere, charmante alte Stadt, die vor allem wegen ihrer Geschichte, der alten Gebäude im Fachwerkstil oder mit Fassaden aus genau ineinandergreifenden Feuersteinen und der Kathedrale interessant ist. Auf eine erste Stadttour mit Guide quer durch die geschichtsträchtigen Gassen folgt die Besichtigung der riesigen Kathedrale, die nicht nur von außen, sondern auch von innen beeindruckt.

Die Canterbury Tales, Geschichten von Reisenden, die nach Canterbury wollten, wurden gesammelt und von Chaucer niedergeschrieben und werden uns in Form einer audiovisuellen Märchenstunde erzählt. Überaus lustig sind die fernbedienungsähnlichen Hörer, durch die wir den einzelnen Geschichten lauschen.

Im Anschluss begeben sich kleine Grüppchen auf die letzte mögliche Souvenirjagd und natürlich darf ein Besuch in einem original englischen sweetshop nicht fehlen, um sich mit süßen Leckereien einzudecken.

Unseren letzten Abend in England lassen wir mit einem gemeinsamen Abendessen in einem asiatisch-indischen Restaurant ausklingen und dann heißt es endgültig Abschied nehmen.

Diesmal kommen wir ohne lästige mehrstündige Kontrollen auf die Fähre und nach der Ankunft in Frankreich freuen wir uns alle, dass wir endlich die Zeit nutzen können um zu schlafen. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an unsere Lehrer, die sich für das Gelingen der Fahrt eingesetzt haben, uns historisch informiert, gewissenhaft geführt, Sehenswürdigkeiten gebucht und für die Gruppe natürlich im Voraus einen genauen Plan erstellt haben, damit wir in dieser kurzen Zeit ein Programm XXL genießen konnten.

Unser Busfahrer fährt uns sicher bis nach Deutschland zurück, die meisten wundern sich, dass die Zeit so schnell vergeht und wir schon fast da sind. Die Vorfreude auf ein weiches Bett wird zunehmend größer. Zudem macht die Aussicht auf ein viertägiges Wochenende die Ankunft noch ein klein wenig schöner. Koffer schnappen, wieder mit müdem Gesicht über den Parkplatz schlurfen und sich so langsam wieder in den Alltag stürzen.

Natürlich sind wir in dieser kurzen Zeit nicht zu perfekt englischsprechenden Schülern geworden, aber der Eindruck, den wir von London und England generell mit nach Hause nehmen, wird sicherlich lange nachwirken und uns in guter Erinnerung bleiben. Das nächste Mal, wenn wir in London sind, gibt es sicherlich noch viel zu entdecken, denn alles gesehen haben wir trotz des unglaublich umfangreichen Programms noch lange nicht.

Emely Hofmann

Von Published On: 13. Mai 2017Kategorien: KursfahrtenSchlagwörter: