Bereits seit 27 Jahren ist der Auschwitz-Gedenkgottesdienst ein wesentliches Element der Erinnerungs- und Gedenkkultur an der Marienschule. Er wird jedes Jahr am 27. Januar begangen, dem Tag, an dem 1945 Auschwitz, das größte aller deutschen Vernichtungs- und Konzentrationslager, durch die Rote Armee befreit wurde und damit dem Völkermord -jedenfalls dort- ein Ende gesetzt wurde. Die Gottesdienste stehen in jedem Jahr unter einem anderen Themenschwerpunkt, werden jedoch stets mit demselben Anliegen vorbereitet und gestaltet: Die Gottesdienste sollen an das historische Geschehen erinnern, in Musik und Gebet der Opfer des Nationalsozialismus gedenken und die Vergangenheit mit den politischen Herausforderungen der Gegenwart verknüpfen.
In diesem Jahr stand der Gottesdienst unter dem Motto „Deutsche – Kauft nicht bei Juden!“ (Nazi-Aufruf vom 01. April 1933) – Probe für den Terror: Der Boykott jüdischer Geschäfte vor 90 Jahren und erinnerte an den reichsweiten Boykott jüdischer Geschäfte, der von den an die Macht gekommenen Nazis organisiert wurde und den Auftakt zu all den Gewalt- und Mordtaten bildete, die danach folgen sollten.
Zunächst begrüßte Schulleiter Herr Günter Kunert die Anwesenden in der Kirche St. Jodokus und unterstrich die große Bedeutung des Gedenkgottesdienstes im Rahmen des Schulprofils der Marienschule. Schülerinnen und Schüler des Geschichtsleistungskurses Q2, der gerade von einer Studienfahrt nach Krakau und Auschwitz zurückgekehrt war, trugen unter Leitung ihres Lehrers Herrn Ehinger Texte zum Hintergrund und Verlauf des Boykotts jüdischer Geschäfte vor. Anschließend begleitete die Schülerin Franziska Bergmann (Jahrgang Q1) einen Moment der Andacht mit ihrem Cello-Spiel. Darauf folgte die Ansprache von Herrn Manfred Sewekow, einem ehemaligen Lehrer für Geschichte, Deutsch und katholische Religion an der Marienschule und Vorstandsmitglied der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Er verwies darauf, dass der Boykott jüdischer Geschäfte 1933 eine -aus Nazi-Sicht- geglückte Probe für die gewaltbesetzte Errichtung der Diktatur und der dann folgenden Entrechtungen und Morde gewesen sei. Der Boykott sei zwar kaum auf Begeisterung bei den nichtjüdischen Deutschen gestoßen, es habe jedoch anderseits kaum Widerstand gegen die Nazi-Aktion gegeben. Anschließend stelle Herr Sewekow eine Verbindung zu aktuellen Ereignissen her: Angesichts der Tatsache, dass es 2021 mehr als 3000 antisemitisch motivierte Straftaten gab, brauche es „eine wache Zivilgesellschaft“ und Boykottaufrufe gegen Israel, egal von welchem Rand der Gesellschaft, erforderten im heutigen Deutschland angesichts dessen, was damals nach dem Boykott folgte, klaren Widerspruch.
Am Ende des Gottesdienstes trugen drei Schüler*innen aus dem Deutsch-Leistungskurs Q1 von Herrn Kunert Fürbitten vor und schlossen in ihre Bitten die Opfer der Nationalsozialisten ein. Wir danken allen, die an der Vorbereitung und Durchführung des Gottesdienstes beteiligt waren, insbesondere Herrn Sewekow, der mitverantwortlich für das Auschwitz-Gedenken an der Marienschule ist, und freuen uns über die zahlreichen interessierten Besucher*innen.